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Deutscher-Wildgehege-Verband e.V.

Wiederansiedlung der Moorente am Steinhuder Meer – ein Rückblick auf 8 Jahre Auswilderung

Florian Brandes und Moritz Wartlick

Gehalten wird sie in vielen zoologischen Einrichtungen, doch meist führt sie ein wenig beachtetes Leben zwischen größeren und bunteren Entenvögeln und dient lediglich der Vervollständigung der Kollektion heimischer Entenarten. Die Rede ist von der Moorente (Aythya nyroca). Dabei hat diese mit schlichter Eleganz überzeugende Entenart durchaus Beachtung verdient, denn während sie in Südosteuropa und Zentralasien noch häufiger vorkommt, wird sie in der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands in Kategorie 1 „vom Aussterben bedroht“ geführt (Grüneberg et al. 2015). In Niedersachsen stammt der letzte Brutnachweis vor der Wiederansiedlung aus dem Jahr 1986 (Krüger & Nipkow 2015). Auf Bundesebene gab es nur am Bodensee und im Nordosten Deutschlands noch wenige Brutpaare. Aus diesem Grund hat das Niedersächsische Umweltministerium die Moorente in das Programm „Arche Niedersachsen“ aufgenommen, in dessen Rahmen verschiedene Arten gezielt unterstützt oder wiederangesiedelt wurden.

Biologie und Gründe für den Rückgang

 Die Moorente gehört zu den Tauchenten (Aythyini) und ist ein Allesfresser, mit einem hohen Nahrungsanteil an submerser Vegetation (Unterwasserpflanzen). Deswegen bevorzugt sie flache, stille Gewässer mit reicher Unterwasservegetation, die gründelnd oder tauchend aufgenommen werden kann. Solche naturnahen Gewässer mit breiter, ungestörter Uferzone und weiten Schilfgürteln, in denen die Moorente im Mai und Juni brüten kann, gibt es aber in Deutschland immer seltener. Auch Ersatzlebensräume wie extensiv genutzte Teichanlagen, wie es sie früher im Osten Deutschlands häufiger gab, sind rar geworden. Dies hat zu einem starken Rückgang der Moorente in Deutschland geführt.

Moorente

Die Moorente ist ein Zugvogel, was weitere Gefahren für die Art mit sich bringt. Der Großteil der in Europa brütenden Population zieht ab Ende September über den Balkan und entlang der Adria in die Überwinterungsgebiete Afrikas. Die westliche Zugroute über Gibraltar und eine weiter östlich gelegene über Griechenland, die Türkei und den Nahen Osten werden scheinbar nur von wenigen Moorenten genutzt. Der Rückzug in die Brutgebiete beginnt im Februar. In vielen an der Zugroute gelegenen Ländern werden Zugvögel auch heute noch intensiv bejagt. Dadurch kommt es, wie bei anderen Arten, vermutlich auch bei Moorenten zu hohen Verlusten.

Bereits im Jahr 2010 begannen auf Initiative des Niedersächsischen Umweltministeriums die Vorplanungen für die Wiederansiedlung der Moorente am Steinhuder Meer. Sowohl durch den NABU Niedersachsen als auch durch die Ökologische Schutzstation Steinhuder Meer (ÖSSM), die gemeinsam als Projektträger fungieren, wurden Machbarkeitsstudien erstellt. Hierin wurden geeignete Ansiedlungsgebiete, mögliche Herkunft der Enten, Auswilderungsmethoden und Risiken diskutiert. Das Ergebnis dieser Studien zeigte, dass ein Ansiedlungsversuch zwar mit Risiken behaftet ist, unter Einhaltung der IUCN-Richtlinien für Wiedereinbürgerungen aber sinnvoll erschien, um dieser bei uns hochgradig bedrohten Art neuen Lebensraum in ihrem ehemaligen Verbreitungsgebiet zu erschließen, den sie eigenständig in absehbarer Zeit nicht erreichen würde.

Das Projektgebiet

Als Wiederansiedlungsgebiet wurden die Naturschutzgebiete rund um das Steinhuder Meer ausgewählt. Rund 30 Jahre war die Moorente aus diesem Gebiet verschwunden – der letzte Brutnachweis stammte aus dem Jahr 1980. In den letzten Jahrzehnten wurden hier umfangreiche Renaturierungsmaßnahmen durchgeführt und besonders im Naturschutzgebiet „Meerbruchswiesen“ viele naturnahe Stillgewässer geschaffen, so dass die Moorente heute dort wieder geeignete Lebensräume finden kann. Neben diesen Voraussetzungen besteht hier der räumliche Vorteil, dass mit der ÖSSM erfahrene, mit dem Projektgebiet vertraute Biologen vor Ort sind. Dies gewährleistet sowohl eine professionelle Betreuung des Projektes als auch eine wissenschaftliche Auswertung der Ergebnisse. Auch die Nähe der Wildtier- und Artenschutzstation in Sachsenhagen (WASS) zur ÖSSM und zum Projektgebiet erleichterte eine flexible Zusammenarbeit der Projektpartner.

Herkunft der Tiere

Da die Möglichkeit, Moorenten aus stabilen Populationen der Natur zu entnehmen, nicht gegeben war, wurde die WASS frühzeitig an den Planungen des Projektes beteiligt. Im Rahmen dieses Projektes hat die WASS die Koordination der Beschaffung einer ausreichenden Anzahl an Moorenten aus Haltung und Zucht für die Wiederansiedlung übernommen. Mit Unterstützung des Niedersächsischen Umweltministeriums wurde eine 250 m² große Voliere mit zwei Teichen zur Zucht und Zwischenhälterung von Moorenten gebaut. Verschiedene Zoos, Vogel- und Wildparke in Deutschland konnten für das Projekt gewonnen werden und haben kostenlos Nachzuchten von Moorenten zur Verfügung gestellt (siehe Tab. 1). Diese wurden von Mitarbeitern der WASS abgeholt und bis zur Auswilderung dort untergebracht.

Die WASS selbst hat von 2012 bis 2019 fünf bis sechs Zuchtpaare gehalten und im Laufe der Jahre 271 nachgezogene Moorenten in das Projekt eingebracht.

Es sollten bevorzugt in Naturbrut aufgewachsene Jungenten für die Ansiedlung verwendet werden. Dahinter stand die Vermutung, dass diese in ihrem Verhalten möglicherweise Vorteile gegenüber handaufgezogenen Enten haben, weil sie eine natürliche Prägung und Lernphasen in ihrer Jugendentwicklung durchlaufen haben. Aber auch künstlich erbrütete und in arteigenen Gruppen aufgezogene Moorenten wurden zur Auswilderung verwendet, da eine Naturbrut in großen, offenen Anlagen in vielen zoologischen Einrichtungen nicht möglich ist. Prädatoren wie Rabenvögel oder Marder fressen hier die Eier oder Jungvögel, so dass es zu hohen Verlusten kommt. Im Projektverlauf hat sich schließlich gezeigt, dass die Art der Erbrütung und Aufzucht offenbar nur wenig Einfluss auf die spätere Wiederauffindbarkeit der Individuen hatte. So konnten 42 % der in Naturbrut aufgewachsenen Enten und 34 % der künstlich erbrüteten Enten nach ihrer Auswilderung mindestens einmal wiederbeobachtet werden.